Neues aus der Wissenschaft

01.04.2023 | Unauffällige Schwangerschaftsverläufe bei Nachkommen einer assistierten Reproduktion

Zunehmend treten nach assistierter Reproduktion (ART) geborene Personen selbst in das fortpflanzungsfähige Alter ein und gründen eigene Familien. In einer aktuell publizierten Studie aus dem norwegischen Geburtenregister (Carlsen et al. BMJ Medicine 2023; 2: e000318. doi: 10.1136/bmjmed-2022-000318) wurden Daten von bis 2021 erfassten Schwangerschaften und Geburten ausgewertet, deren Eltern selbst zwischen 1984 – dem Datum der ersten Geburt nach IVF in Norwegen - und 2002 in Norwegen geboren wurden. Selbst mittels ART gezeugte Frauen wurden seltener Mütter (12 vs. 35 %, Risiko-Ratio [HR] 0,71; Konfidenzintervall [KI] 0,65-0,77) und Männer seltener Väter (8 vs. 25 %, HR 0,79; KI 0,71-0,87) als Personen der gleichen Altersgruppen nach natürlicher Konzeption. Nach Ergänzung der minimalen Adjustierung für das Geburtsjahr um zusätzliche Faktoren wie das Alter und die Nationalität der Großmütter bei der Geburt wurden diese Unterschiede jedoch deutlich abgeschwächt (Mütter: adjustierte HR 0,88; KI 0,81-0,96) oder waren nicht mehr vorhanden (Väter: adjustierte HR 0,91; KI 0,83-1,01), so dass die Autoren hier überwiegend weitere nicht berücksichtigte Unterschiede (z.B. nicht erfasste sozioökonomische Faktoren) zwischen den Gruppen und weniger die biologische Tatsache der eigenen Empfängnis nach ART als ursächlich vermuten. Eine Auswertung der Schwangerschaften ergab keine relevanten Unterschiede hinsichtlich einer vorausgehenden ART oder Schwangerschaftskomplikationen (z.B. Frühgeburtlichkeit oder hypertensive Schwangerschaftserkrankungen) und Geburtsdaten (z.B. Geburtsgewicht, Geburt durch Kaiserschnitt oder Fehlbildungen beim Kind). Eine niedrigere Quote geborener Jungen bei mittels ART gezeugten Müttern (adjustierte Odds-Ratio [aOR] 0,78; KI 0,66-0,98) sowie eine höhere Rate niedriger 5-Minuten APGAR-Scores der Neugeborenen in dieser Gruppe (aOR 1,86; KI 1,20-2,89) können aufgrund der kleinen Zahl ausgewerteter Schwangerschaften nicht sicher interpretiert werden und müssen in Folgestudien überprüft werden.
Die überwältigende Mehrheit der nach ART geborenen Kinder ist gesund und entwickelt sich entsprechend ihren Altersgenossen nach spontaner Empfängnis. Es ist jedoch bekannt, dass nach ART konzipierte Schwangerschaften erhöhte Risiken gegenüber natürlich entstandenen Schwangerschaften aufweisen, die sich nicht nur über die erhöhte Mehrlingsrate erklären lassen (Pinborg et al. Hum. Reprod. Update 2013; 19: 87-104). Umso beruhigender ist die Erkenntnis aus der oben zitierten Studie, dass Schwangerschaften bei den Nachkommen einer ART nicht komplizierter verlaufen. Allerdings ist die Studiengröße bisher begrenzt. Die zunehmende Anwendung und mittlerweile weltweit über 10 Millionen nach ART geborene Menschen lassen mit Interesse weitere Studien zur Fortpflanzung der nach ART gezeugten Personen insbesondere auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher ergänzter  Therapiemodifikationen wie der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion, dem Tiefgefrieren (Kryokonservierung) sowie der verlängerten Kulturdauer (Blastozystentransfer) von Zellen erwarten.  

Prof. Dr. med. Barbara Sonntag