Neues aus der Wissenschaft

01.10.2022 | Keine Präferenz für eine Jahreszeit zur Durchführung einer IVF/ICSI

Für die natürliche Empfängnis und Geburtenrate sind saisonale Unterschiede seit längerem bekannt, welche scheinbar zusätzlich von der geographischen Lage eines Landes und weiteren gesellschaftlichen Einflüssen abhängig sind (Wesselink et al. Seasonal patterns in fecundability in North America and Denmark: a preconception cohort study. Hum. Reprod. 2020;35:565–572). Für die Aufnahme einer Kinderwunschbehandlung könnte sich für Paare und Kinderwunschzentren daraus die Frage ergeben, ob saisonale Einflüsse sich auch auf den Erfolg einer IVF/ICSI-Therapie auswirken?

Passend zum ausklingenden Sommer wurde aktuell eine Studie publiziert (Humla et al. Summer is not associated with higher live birth rates in fresh IVF/ICSI cycles: a population-based nationwide registry study, Hum. Reprod. Open 2022, https://doi.org/10.1093/hropen/hoac036), welche die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung in Abhängigkeit von der Jahreszeit bei Durchführung der Eizellentnahme untersuchte und Daten aus dem nationalen Register in Schweden von 2009-2018 mit einer Eizellentnahme im Rahmen einer erstmalig durchgeführten IVF/ICSI-Therapie (n = 52788) auswertete. Die Patientinnen wurden unter Berücksichtigung des Datums der Eizellentnahme in vier Untergruppen (Frühling, Sommer, Herbst, Winter) eingeteilt. Das primäre Studienziel war die Lebendgeburtenrate. Mittels logistischer Regression wurden die Ergebnisse für den Einfluss einer Vielzahl anderer Parameter wie Alter der Frau, Behandlungsjahr, Body-Mass-Index, Dosierung der Stimulationsmedikation, IVF- oder ICSI-Therapie sowie Zahl und Entwicklungsgrad der transferierten Embryonen adjustiert.

Im Ergebnis schwankte die Lebendgeburtenrate pro Eizellentnahme zwischen 24-26% und pro Embryotransfer zwischen 29-31% für alle Jahreszeiten. Zwar zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede mit einer höheren Lebendgeburtenrate pro Eizellentnahme im Frühjahr (26%) gegenüber dem Sommer (24%, adjustierte Odds-Rate [OR] 1,08, 95% Konfidenzintervall [KI] 1,02–1,16, P = 0,02), sowie pro Embryotransfer im Frühjahr und Herbst (jeweils 31%) gegenüber dem Sommer (29%, adjustierte OR 1,08, 95% KI 1,01–1,16, P = 0,04 bzw. adjustierte OR 1,09, 95% KI 1,01–1,16, P = 0,02). Es ist jedoch festzustellen, dass diese Unterschiede sehr gering sind. Auffällig ist zudem, dass in den Sommermonaten nur annähernd halb so viele Eizellentnahmen und Embryotransfers wie im Frühjahr und Herbst erfolgten – nach Aussage der Autoren vermutlich aufgrund der für Schweden typischen einheitlichen Sommerferien und dadurch deutlich reduzierter Behandlungskapazität. Die Schwangerschafts- und Fehlgeburtsraten lagen zwischen 36-38% bzw. 16-18% ohne saisonale Unterschiede. Die Schlussfolgerung der Autoren ist nachvollziehbar und wird auch von uns geteilt: aufgrund dieser Daten lässt sich keine Präferenz einer zu bevorzugenden Jahreszeit für die Kinderwunschbehandlung ableiten.

Prof. Dr. med. Barbara Sonntag