Neues aus der Wissenschaft

15.01.2017 | Revival der invasiven Diagnostik?

In den letzten Jahren wurden weitere Methoden entwickelt, um eine invasive Diagnostik in der Schwangerschaft (Fruchtwasseruntersuchung bzw. Mutterkuchenpunktion) zu vermeiden. Aktuell gibt es das Ersttrimester-Screening, bei dem durch die Beurteilung der fötalen Nackentransparenz und ggf. zusätzlicher Marker wie das Nasenbein, den Blutfluss im Ductus venosus und an der Trikuspidalklappe in Verbindung mit einer Blutuntersuchung (freies ß-HCG und PAPP-A) ein individuelles Risikoprofil der Schwangeren bzgl. der häufigsten chromosomalen Aberrationen erstellt  werden kann. Ergänzt wird es seit über 4 Jahren durch die Analyse zellfreier, fötaler DNA aus mütterlichem Blut, auch nicht-invasiver Pränataltest genannt, welche die Präzision weiter erhöht. In Folge dessen ist die Zahl invasiver Eingriffe in den letzten Jahren weiter gesunken. Dabei erfolgte die Beratung bei einer Fruchtwasseruntersuchung bzw. Mutterkuchenpunktion immer mit dem eingriffsbedingten Fehlgeburtsrisiko von 1:200.
Zwei aktuelle Studien zeigen jedoch etwas anderes. Eine retrospektive Metaanalyse zeigte, dass das eingriffsbedingte Fehlgeburtsrisiko bei der Fruchtwasseruntersuchung lediglich bei 1:1000 und bei der Mutterkuchenpunktion nur bei 1:500 liegt (1). Dieser Unterschied war statistisch noch nicht einmal signifikant. Eine große skandinavische Studie konnte kein erhöhtes Risiko für den Verlust der Schwangerschaft durch invasive Eingriffe nachweisen (2).
Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass solche Ergebnisse nur in Pränatalzentren mit ausreichend hohen Punktionszahlen pro Jahr erreicht werden können (3). Dies spricht klar für die Zentralisierung derartiger Eingriffe wie auch in anderen Bereichen der Medizin.
Für die Zukunft bedeuten die Resultate, dass eine Schwangere bei einer gewünschten invasiven Diagnostik mit weniger Angst in die Untersuchung gehen kann. Es ist angesichts der modernen, nicht-invasiven Methoden trotzdem nicht zu erwarten, dass die Punktionszahlen wieder signifikant steigen.
 
(1) Akolekar et al. Procedure-related risk of miscarriage following amniocentesis and chorion villus sampling: a systematic review and meta-analysis. Ultrasound Obstet. Gynecol. 2015; 45: 16-26.
(2) Wulff et al. Risk of fetal loss associated with invasive testing following combined first-trimester screening for Down-syndrome: a national cohort of 147 987 singleton pregnancies. Ultrasound Obstet. Gynecol. 2016; 47: 38-44.
(3) Tabor et al. Fetal loss rate after chorion villus sampling and amniocentesis: an 11-year national registry study. Ultrasound. Obstet. Gynecol. 2009; 34: 19-24.

Prof. Dr. med. Martin Krapp