Neues aus der Wissenschaft

15.11.2017 | Genetische Beziehungen zur Schwangerschaftsdauer und Frühgeburtlichkeit

Zhang et al. werteten DNA-Frequenzanalysen gewerblicher Anbieter (https://www.23andme.com) von 43 568 US-amerikanischen Frauen überwiegend (97%) europäischer Abstammung aus, von denen 86,8% eine reguläre erste Schwangerschaftsdauer von 37-42 Wochen und 7,6% von < 37 Wochen angegeben hatten (Zhang et al. Genetic associations with gestational duration and spontaneous preterm birth. N. Engl. J. Med. 2017; 377: 1156-1167).
Es konnten 6 Genloci, die mit der Schwangerschaftsdauer und 3 weitere Genloci, die mit der Frühgeburtlichkeit assoziiert sind, identifiziert werden. Von den mit einer kürzeren Schwangerschaftsdauer und/oder Frühgeburt assoziierten Genloci konnten 6 in weiteren Datensätzen aus skandinavischen Ländern mit 8643 Frauen reproduziert werden. Das Gen EBF-1 kodiert den frühen B-Zell-Faktor und eine normale Entwicklung der B-Zellen. Das Gen EEFSEC kodiert den Elongationsfaktor für Selenproteine. Der Zusammenhang zwischen erniedrigtem Selenspiegel im Blut der Schwangeren und der Frühgeburtenrate ist bekannt. Das Gen AGTR2 ist an der Regulation des  uteroplazentaren Kreislaufs, das Gen WNT4 an der Bindung der Östrogenrezeptoren in endometrialen Zellen beteiligt. Die Gene ADCY5 und RAP2C kodieren Adenylcyclase 5 sowie eines der RAS-Onkogene und sind an verschiedenen Stoffwechselvorgängen beteiligt.
Der Abgleich zwischen mütterlichen und kindlichen Transkripten bei DNA-Sequenzen aus skandinavischen Datensätzen ergab jeweils die gleichen Genloci, die aber bei den Kindern nur halb so häufig transkribiert wurden. Dieses Ergebnis weist auf eine rein mütterlich bestimmte Schwangerschaftsdauer hin, da die Kinder jeweils nur die Hälfte des mütterlichen Genoms erhalten.
Zukünftige Studien mit Hilfe auch kommerzieller großer Datenbänke sollen weiter zur Erforschung molekularer Vorgänge während der Schwangerschaft und möglicher Risiken für Frühgeburten beitragen.
Ein wichtiger Effekt dieser Arbeit sollte ein Umdenken im Bereich der Prävention und Behandlung der Frühgeburt sein. Erst wenn man in der Lage ist, die unterschiedlichen Gründe einer drohenden Fehl-/Frühgeburt – etwa durch eine Genanalyse – individuell zu diagnostizieren und zu behandeln, wird man einen Gesamteffekt auf die Frühgeburtenrate erwarten können.
Die bisherigen rein mechanistischen (Cerclage) oder medikamentösen (Tokolyse) Ansätze müssen überdacht werden.

Prof. Dr. med. Bernd-Joachim Hackelöer